Talentmanagement

HR-Trends 2022: Restrukturieren, resozialisieren, umschichten

8 Dezember 2021

5 min

Vor zwei Jahren hätte sich niemand die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit auch nur ansatzweise vorstellen können. Der Gedanke, dass eine globale Pandemie auch die Arbeitswelt gewissermaßen auf den Kopf stellt, war für die meisten Menschen und Organisationen vor 2020 ganz und gar unvorstellbar.

Keine Rückkehr zur Normalität

Auch wenn es angesichts der aktuellen Entwicklungen schwerfällt, an eine nachhaltige Pandemie-Erholung zu glauben, gilt es gerade für den Wirtschaftssektor im Allgemeinen bzw. für die Arbeitswelt im Besonderen, weiter nach vorne zu schauen. Die massiven Veränderungen am Arbeitsplatz, die in den letzten zwei Jahren stattgefunden haben, zu ignorieren oder zu überspielen wäre aus Unternehmenssicht unter den aktuellen Bedingungen keine gute Strategie. Immer mehr Unternehmens- und Personalleiter erkennen insofern, dass die Rückkehr zur Normalität de facto nicht möglich ist. Einfach den Reset-Knopf zu drücken und dort weiterzumachen, wo man aufgehört hat, wird nicht funktionieren.

Wie lautet die Antwort?

Aber wie geht es nun weiter? In einer von Talentsoft durchgeführten Umfrage äußerten sich Experten zu den HR-Trends des kommenden Jahres. Die am häufigsten genannten Themen:

Talente gewinnen und binden

Führungskräfte wie Romain Echallier, Human Ressources Business Partner (HRBP) bei Lumapps, sind der Ansicht, dass aufgrund der oben genannten Voraussetzungen Unternehmen sowohl von Mitarbeitenden als auch von Bewerbern noch stärker gefordert werden. Denn, so Echallier, „die Aufgabe, neue Talente zu gewinnen, wird für Unternehmen immer komplexer.“

Ein wesentlicher Aspekt dabei: der Gender Gap. Im Jahr 2022 wird esfür Unternehmen entscheidend sein, etwa Pflegeleistungen nicht mehr an Geschlechterrollen zu knüpfen. Darin sieht Cordelia Gaffar, Strategie-Expertin bei WOAMD (Workout Around My Day, Inc.), den größten HR-Trend für das Jahr 2022. “Im Moment unterstützt das System immer noch das kollektive Stigma, dass nur Frauen Kinder und Ältere betreuen können. Dass aber auch Männer und andere Geschlechter Pflegeleistungen erbringen können, wird noch vernachlässigt“, sagt Gaffar.

Sehr ähnlich argumentiert Karrierecoachin Nick Frick. Ihrer Meinung nach müssen Unternehmen ihre Sichtweise der klassischen Geschlechtertrennung systematisch aufbrechen.

„In Zukunft werden jene Unternehmen glaubwürdig sein, die verstehen, dass nicht nur Mütter unterstützt werden müssen, sondern alle Betreuungspersonen, egal welchen Geschlechts.“ Dies soll, so wünscht es sich Frick, etwa mit pflege- bzw. familienfreundlichen Maßnahmen wie flexiblen Arbeitszeiten, Lohnerhöhungen, Kinderbetreuung und mehr Elternurlaub geschehen. Darin sieht sie die Instrumente der Zukunft, dank derer sich Mitarbeitende auch langfristig an Unternehmen binden werden.

„Unternehmen, die nicht in Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung investieren, werden zukünftig Probleme haben, Mitarbeitende zu finden. Diese neigen dazu, sich einen Arbeitsplatz in jenen Unternehmen zu suchen, die in ihr Wohlbefinden investieren. Im Umkehrschluss werden Unternehmen dafür belohnt, indem sie dadurch die besten Talente an sich binden.”

Diversität und Inklusion

Die Attraktivität von Unternehmen aus der Sicht der Bewerber zeigt sich auch in Form von D- & I-Programmen. Sie sind längst nicht mehr nur ein “nice to have”. Um Talente nicht nur zu halten, sondern auch neue zu gewinnen, müssen Unternehmen in Zukunft Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion weiter verstärken und tatsächlich praktizieren.

Diese Werte spielen bei den Arbeitskräften der Zukunft eine wichtige Rolle bei der Jobauswahl. „Diverstität und Inklusion sind klare Indikatoren für Bewerber, sich in solchen Unternehmen zu bewerben – auch und gerade für Talente mit unterschiedlichsten Hintergründen“, sagt Vivian Acquah von Viva La Vive.

In welcher Form das in Unternehmen umgesetzt werden kann, zeigt Mathilde Nicolas. Sie ist Talent Acquisition Specialist bei Contentsquare. Für ihren Arbeitgeber stellt Diversität und Inklusion einen der Top-Trends für das kommende Jahr dar. „Darauf bereiten sich auch die HR-Teams in unserem Unternehmen vor, indem sie etwa DEI-Experten einstellen und neue Arbeitsmodelle mit Remote- und Flex-Office ausarbeiten.“

Fernarbeit und hybride Arbeitsmodelle

Den zweifellos bedeutendsten HR-Trend repräsentieren hybride Arbeitsmodelle bzw. Modelle, die mobiles Arbeiten oder Arbeiten von zu Hause zulassen.

Während viele Unternehmen ihrer Belegschaft diese neuen Formen der Arbeit bereits ermöglichen, wird es nach Meinung von Dr. Steve Yacovelli, auch bekannt als “The Gay Leadership Dude” von der TopDog Learning Group in den USA, im nächsten Jahr darum gehen, das Gefühl der Inklusivität zu bewahren.

“HR-Fachleute und Führungskräfte werden mit dem Proximity Bias zu kämpfen haben, also der Vorliebe für Dinge und Menschen, die uns physisch näher sind. Wir müssen uns im Klaren darüber sein, wann genau sich diese Art von Voreingenommenheit in unsere Teams und unsere neue hybride Arbeitsplatzkultur einschleicht und Gegenmaßnahmen ergreifen.“ Die Gefahr: Zu schnell droht hier die Bindung zum Unternehmen verloren zu gehen, fühlen sich Teammitglieder aus der Ferne alleine, entrechtet oder vernachlässigt. Das wirkt sich negativ auf den Arbeits- und den Unternehmenserfolg aus.

„Die Aufgabe der HR ist es insofern, jene Menschen, die in hybriden Arbeitsmodellen tätig sind, zu unterstützen, so dass sie erfolgreich sein können“, sagt Yacovelli.

Hybride Arbeitsmodelle verändern vieles – zum Guten und zum Schlechten. Die Flexibilität der Fernarbeit definiert etwa die Art und Weise wie gearbeitet wird grundsätzlich neu. Das betrifft insbesondere das Zeitmanagement.

So ist die 35-Stunden-Woche eine Errungenschaft des klassischen Arbeitsmarktes. Sie bezieht sich auf die persönliche Präsenz am Arbeitsplatz. Aber: Das ändert sich, sobald die (Büro-)Arbeit von Hause erledigt wird.

„Wenn wir von zu Hause arbeiten, stellen wir schnell fest, dass wir unsere Arbeitsziele in weniger als 35 Stunden erreichen können. Wir arbeiten zu Hause einfach konzentrierter, weil wir weniger oft gestört werden als im Büro“, sagt Pierre Lucet, People Operations Manager bei Heetch.

Die Konsequenz daraus sei, dass Unternehmen unter diesen Voraussetzungen sowohl ihre Arbeitsverträge als auch ihre -organisation anpassen müssen. „Das wird aber auch die Kluft zwischen ‚Büroarbeit‘ und ‚Facharbeit‘, die sich an einen Zeitplan halten muss, vergrößern“, prognostiziert Lucet.

Um an diesem Punkt potenzielle Spannungen zu vermeiden, sollten Unternehmen ihren Mitarbeitenden die Möglichkeit bieten, weniger zu arbeiten. „Die negativen Auswirkungen auf die Produktivität lassen sich durch Projekte mit hohem ROI und datengetriebenen Unternehmenszielen minimieren.“

HR-Prognose für 2022: restrukturieren, resozialisieren, umschichten

Um den Entwicklungs- und Veränderungsprozess in der Arbeitswelt zu verstehen, lohnt es sich, zunächst auf das Jahr 2021 zurückzublicken. Der Podcast “The Ins and Outs of Work” und das Video fassen die HR-Trends 2021 zusammen.

Klar ist: Die Zeit lässt sich nicht einfach zurückdrehen. Aber: Entscheidungen der Zukunft sollten auf einem stabilen Fundament aufbauen, das aus den Erfahrungen der Vergangenheit besteht.

Deshalb sollte die HR der Zukunft Prozesse, Strukturen und Modelle:

Restrukturieren, resozialisieren und umschichten

Auch wenn die Ungewissheit wohl noch weiter anhalten wird, bilden die HR Trends 2022, die im Talentsoft E-Book erörtert werden, eine stabile Entscheidungsgrundlage für die Ausrichtung der Personalstrategie im kommenden Jahr.